Pneumokokken
Pneumokokken sind die häufigsten bakteriellen Krankheitserreger bei Kindern. Die Bakterien sind in der Bevölkerung weit verbreitet und verursachen Lungen-, Mittelohr- und Gehirnhautentzündung sowie Blutvergiftung. Besonders gefährdete Gruppen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Die Infektion kann so rasant verlaufen, dass nur wenige Stunden zwischen völliger Gesundheit und Lebensgefahr liegen. Denn die Erreger bleiben aufgrund ihrer Tarnung in einer Kapsel aus Polysaccharid relativ lange für das Abwehrsystem unsichtbar. Sie können sich in Ruhe vermehren und über das Blut verteilt wichtige Organe angreifen (siehe auch Hämophilus Influenzae Typ B und ). Chronisch kranke und ältere Personen können besonders im Zusammenhang mit der echten Grippe an Pneumokokken-Infektionen schwer bis lebensbedrohend erkranken. Daher wird auch eine spezielle Pneumokokken-Impfung für Senioren empfohlen.
Vor Einführung der allgemeinen Impfempfehlung starben in Deutschland jährlich etwa 20 Kinder an einer invasiven Pneumokokken-Infektion, eine ähnliche Zahl erlitt einen schweren Hörverlust und bei weiteren ca. 20 Kindern wurden bleibende neurologische Schäden berichtet. Überdies schützt die Pneumokokken-Impfung gegen nicht so schwere Erkrankungen wie Mittelohr-Entzündungen in erheblichem Ausmaß. Diese Impfung ist folglich mit guten Gründen empfohlen und in Österreich für alle Kinder bis zum 2. Lebensjahr gratis. Für Kinder mit erhöhtem Risiko sind versäumte (Teil-)Impfungen darüber hinaus bis zum 5. Lebensjahr kostenlos erhältlich.
Mehr dazu: EDCD Europe: Pneumokokken
Pneumokokken im Detail
Erreger: Streptococcus pneumoniae, „Pneumokokken“ (Bakterien), mit Polysaccharid-Kapsel umgeben, 94 verschiedene Kapseltypen (Serotypen) bekannt, 23 davon verursachen 90 Prozent der Erkrankungen. Kinder bis zum 2. Lebensjahr besitzen eine funktionelle Unreife des Immunsystems, insbesondere gegen Polysaccharid-Antigene. Diese kommen im 23-valenten Impfstoffen vor. Durch Koppelung an Trägerproteine wurden sogenannte Konjugatimpfstoffe entwickelt, welche dadurch eine gute Immunantwort bei Säuglingen, Kleinkindern und Immunsupprimierten zeigt. Diese sind in den 10- und 13-valenten Konjugat-Impfstoffen enthalten.
Erregervorkommen: Mensch
Verbreitung: ca. 10 Prozent der Menschen weltweit sind (gesunde) Keimträger (Nasen-Rachenraum), wobei das Trägertum stark abhängig von Alter, Umgebung und Immunstatus ist (besonders gefährdet sind Säuglinge und Personen über 65 Jahre). In einigen Untersuchungen wurden bei bis zu 60% der gesunden Kleinkinder Pneumokokken im oberen Atemwegstrakt nachgewiesen. Kleinkinder sind deshalb eine bedeutende Ansteckungsquelle für invasive Pneumokokken-Erkrankungen, insbesondere bei älteren und immunsupprimierten Patienten.
Inkubationszeit: kann nicht angegeben werden, da viele Personen asymptomatische Träger sind (siehe oben)
Ansteckungsrisiko bei Kontakt (Kontagionsindex): entfällt, da der Keim primär keine Krankheit auslöst (nicht pathogen ist).
Infektionsquellen und Übertragung: Tröpfcheninfektion
Krankheitsbild: Wenn Pneumokokken allerdings in die Blutbahn gelangen, können sie viele Infektionskrankheiten hervorrufen, wie akute Mittelohrentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung, akute eitrige Meningitis (Gehirnhautentzündung), schwere Pneumonie (Lungenentzündung) – Pneumokokken sind die häufigsten Erreger der ambulant erworbenen bakteriellen Lungenentzündungen, Sepsis (Blutvergiftung), Herzinnenhaut-, Bauchfell- und Gelenksentzündungen.
Die Letalität der invasiven Pneumokokken-Erkrankung ist hoch (1997-1999 in Deutschland: für Sepsis 1,2%, für Meningitis 9,8%). Bei 15 % der Kinder werden nach einer invasiven Pneumokokken-Erkrankung bleibende Restschäden (Hörverlust, neurologische Schäden, etc.) festgestellt.
Vorbeugung (Prophylaxe): Schutzimpfung mit Totimpfstoffen (konjugierte Impfstoffe PNC gegen 10 bzw. 12 Serotypen oder polyvalenter Polysaccharidimpfstoff gegen 23 Serotypen).
Der konjugierte PNC-Impfstoff ist schon im Säuglingsalter auffrischbar. Der Polysaccharid-Impfstoff wirkt zwar gegen 23 Serotypen, schützt aber nur 3 bis 5 Jahre und Wiederholungsimpfungen können auf individueller Basis „erwogen“ werden. Wiederholungsimpfungen können lokale Reaktionen an der Impfstelle verursachen, sowie eine verminderte Immunantwort (Hyporesponsiveness) auf den Impfstoff bewirken. Bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Polysaccharid-Impfstoff unwirksam.
Quellen: H. Kolleritsch und K. Möstl: Impfen 2004, Dr. Peter Müller Buch- und Kunstverlag GmbH, Wien 2004
Malinowski, W.: Impfungen in Österreich und anderen europäischen Ländern, Facultas Universitätsverlag, Wien 2005
Quast, U. et al.: Impfreaktionen, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1997
DGPI Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen, 6. Auflage, Thieme Verlag 2013
(Ergänzt und überarbeitet von Prof. Dr. Diether Spork und Dr. Andreas Trobisch)